Mémoire

Jeder Tisch ein Chef’s Table

Mit dem Mémoire im Löwenbräu-Areal erhält die Zürcher Restaurantszene ein unkonventionelles neues Mitglied. Das neue Lokal tanzt nämlich in zweierlei Hinsicht aus der Reihe: Wer hier essen will muss den Lift nach unten nehmen. Dafür ist dort jeder Tisch ein Chef’s Table – und die Speisen sind überraschend anders.

Underground Dining hat in Zürich seit Anfang Oktober einen Namen: Mémoire. Auch wenn die Bezeichnung vielleicht etwas gar buchstäblich ist, wir finden, sie passt ganz gut zu dem neuen Lokal. Es befindet sich nämlich tief im Untergrund des Löwenbräu-Areals. Wer dort hin will, der muss einen versteckten Aufzug nach unten nehmen. Öffnet man dann eine Etage tiefer die Lifttüre, steht man schon mitten drin im Mémoire – mit Blick auf die Küche und das Big Green Egg und dem Duft von frisch zubereitetem Essen in der Nase.

restaurant memoire zuerich

Industrieller Lagerhallen-Chic

Dass dieser ehemalige Lagerraum überhaupt ein Restaurant sein kann, ist der mobilen Küche zu verdanken: Sie steht auf Rollen und schmiegt sich perfekt in den Raum. Das gibt dem Mémoire nicht nur einen provisorischen Anstrich, sonder führt auch zu einer fliessenden und kaum wahrzunehmenden Grenze zwischen Restaurantbereich und Küche. Vorteil für den Gast: Er kann der Küchenmannschaft über die Schultern schauen, ohne aufstehen zu müssen. So wird jeder Tisch zu einem begehrten Chef’s Table.

Essen Mémoire

Unerwartet anders ist nicht nur das Restaurant sondern auch die Karte. Die Küchenmannschaft zeigt bei der Zusammenstellung des Angebotes Mut – und setzt auf einen modernen und kreativ erfrischenden Ansatz.

Die verschiedenen Menü-Positionen sind alle so gestaltet, dass sie sich als Sharing-Plates eigenen. Das trifft den Nerv der Zeit und animiert dazu, sich mit seinem Gegenüber über das Gericht auszutauschen.

Auf der Apérokarte stehen beispielsweise getrocknete Tomaten vom letzten Sommer, hausgebackenes Lavendelbrot mit Olivenöl und Räuchersalz und getrockneter Schinken von der Simplon-Südseite (eine vorzügliche Schweizer Alternative zum Prosciutto di Parma).

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Apéro

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Ceviche vom Zander

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Geschmorte Aubergine mit Tahin und Rosmarin

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Lauwarmes Rindscarpaccio

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Kürbis-Agnolotti mit Federkohl

Das Vorspeisenangebot reicht von verkohltem (kein Witz!) Gemüse und Kürbis-Agnolotti mit Federkohl über Zander-Ceviche mit Limette, Gurke und Koriander bis hin zu lauwarmem Carpaccio vom Rind mit Meerrettich und Eigelb.

Richtig substanziell wird es dann mit den Hauptspeisen. Da gibt es Ur-Karotten mit Krätuersaitlingen, Seeteufel mit Salzzitronen, Ossobuco mit Apfel und Senf und ein Flanksteak mit Kaffee und Harissa.

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Flanksteak mit Kaffee-Öl und Harissa marniert

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Seeteufel mit Salzzitronen und Grünzeug

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Ur-Karotte mit Kräutersaitlingen

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Tagesbeilage

Bezahlen Mémoire

Die Apéro-Häppchen kosten zwischen 6 (getrocknete Tomaten) und 21 Franken (getrockneter Simplon-Proscuitto). Vorspeisen schlagen mit 13 (verkohltes Gemüse) bis 25 Franken (Kürbis-Agnolotti) zu Buche. Und für die Hauptspeisen muss man mindestens 36 Franken auf den Tisch legen. Dafür bekommt man dann ein vegetarisches Gericht in Form von Ur-Karotten. Die anderen Gerichte kosten zwischen 45 und 48 Franken. Die zwei Desserts im Angebot liegen bei 8, beziehungsweise 14 Franken.

Wir waren zu dritt im Mémoire und haben 284.50 Franken ausgegeben.

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Öffnungszeiten Mémoire

Mittwoch bis Samstag, 18:30 bis 23:00 Uhr

Harrys Tipp

Das Mémoire ist ein bemerkenswerter Neuzugang mit einer stellenweise durchaus anspruchsvollen Küchenleistung. Wir finden, dass man sich einen Besuch in diesem spannenden Lokal nicht entgehen lassen sollte – zumal auch das Endprodukt, dem die Küche ganz offensichtlich die nötige Aufmerksamkeit schenkt, auf dem Teller (bis auf ganz wenige Ausnahmen) nicht enttäuscht. Erwähnenswert ist übrigens auch die kleine Weinkarte, die sehr gut kuratiert ist und für die eine oder andere Überraschung im Gaumen sorgt.

Wir sind mit dem selbstgebackenen Tomaten-Lavendel-Brot, dem Simploner Schinken und den getrockneten Tomaten vom letzten Sommer in den Abend gestartet. Extrem gut angekommen sind bei uns die Tomaten, die man in dieser getrockneten und trotzdem saftigen und frischen Art in Restaurants selten findet.

Auch der Schinken hat uns gut gefallen und gleichzeitig überrascht: Wer weiss schon, dass man in der Schweiz Schinken herstellt, der es – mit einigen Abstrichen – mit dem Original aus Parma durchaus aufnehmen kann. Sehr gut gefallen hat uns auch das fantastische Auberginenmousse, das mit Tahin und Rosmarin zubereitet wurde. Ein bisschen enttäuscht hat uns hingegen das Lavendel-Tomaten-Brot, für welches man den Teig vierundzwanzig Stunden hat gehen lassen. Über die Konsistenz des Brotes kann man sich streiten, über die leider fehlende Lavendelnote nicht.

Weiter ging es mit den Vorspeisen: Den  Anfang machte ein zartes und lauwarmes Carpaccio mit Eigeld und gelben Topinambur-Blätter dekoriert. Es wurde auf dem Teller ganz anders und präsentiert, als man es normalerweise für dieses Gericht erwarten würde. Ein schöner Überraschungseffekt. Als zweite und dritte Vorspeise haben wir uns für die Kürbis-Agnolotti mit Federkohl und das Zander Ceviche entschieden. Das Ceviche war tadellos und für unseren Geschmack perfekt zubereitet, der Agnolotti-Teig war hingegen an den Rändern leicht zu trocken.

Ur-Karotte, Seeteufel und Flanksteak hiessen unsere Hauptgänge. Ein unerwartet vollwertiges Gericht waren die in Essig eingelegten und auf dem Big Green Egg grillierten Ur-Karotten. Das Gemüse war voll von Aromen, hatte einen guten Biss und war entgegen unserer Befürchtung alles andere als langweilig.

Unser persönliches Highlight war aber das Flanksteak. Es wurde mit Kaffee-Öl und Harissa mariniert und entwickelte dank den Grillaromen einen fabelhaften Geschmack. Dabei war es fantastisch zart.

Weniger glücklich waren wir mit dem Seeteufel. Das Stück Fisch wurde zwar optisch sehr schön präsentiert, hatte aber zwei grosse Fehler: Es war zu trocken geraten und das Zitronenfruchtfleisch war dermassen dominant, dass es dem edlen Fisch seinen Eigengeschmack raubte.

Adresse Mémoire

Restaurant Mémoire
Limmatstrasse 254
8005 Zürich
Tel. +41 76 580 10 57
restaurantmemoire.ch

(Fotos: Carrie Meier-Ho)

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