Singapur: Das billigste Michelin-Gericht der Welt

Worlds cheapest Michelin Restaurant

1.70 Franken: Das billigste Michelin-Gericht der Welt gibt’s in Singapur

Man muss nicht reich sein, um gut und edel zu essen. Hier kommt der Beweis: Für gerade mal 1.70 Franken hatte ich vor kurzem das billigste Gericht, das je vom Guide Michelin gekrönt wurde.

Von Carrie – Ein Michelin Essen für unter zwei Franken? Das war bis vor kurzem undenkbar. Wer in mit Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants speisen wollte, der musste immer viel Geld in die Hand nehmen. Und ohne die entsprechend gute Kleidung wurde man gar nicht erst reingelassen.

Vorbei die Zeit! Denn kürzlich wurden in Singapur zwei Strassenküchen mit je einem Michelin Stern ausgezeichnet. Kaum jemand hätte sich so etwas vor einigen Jahren auch nur zu träumen gewagt. Tatsächlich war es das erste mal überhaupt, dass die Küche eines Strassenverkäufers von der hoch angesehenen Gourmet-Bibel auf gleiche Stufe wie traditionelle Gourmettempel gestellt wurde.

Kulinarische Vielfalt – so prägte mich mein Vater

Mit Vater hat mich bereits als Kind in die besten Restaurants der Welt mitgenommen. Er selber kam aus einer mausarmen Familie. Als sein Vater, mein Grossvater, starb, war er gerade mal drei Jahre alt. Gegessen hat man damals um den Hunger weg zu bekommen. Erst Später erlebte er, was kulinarische Vielfalt heisst. Und sein Interesse daran erwachte. Wir Kinder durften dann mit ihm auf Entdeckungsreise gehen. Ich mag mich gut erinnern, wie wir zusammen in Singapur von Marktständen zu Strassenküchen tingelten und all die vielen Geschmackseindrücken aufsaugten – und hier und dort auch etwas assen.

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Strassenküche mit Michelin Stern

Gerade erst war ich wieder in meiner alten Heimat Singapur. Dabei habe ich die Gelegenheit genutzt, eine der ersten vom Guide Michelin ausgezeichneten Strassenküchen auszuprobieren. Herr Chan Hon Meng, seines Zeichen Besitzer des Essensstandes Hong Kong Soya Sauce Chicken, hat letztes Jahr seinen allerersten Michelin Stern erhalten. Die Nachricht hat weltweit für Aufsehen gesorgt und beschert Herrn Chan an seinem Stand Hochbetrieb. Mit der Auszeichnung hat auch der Andrang massiv zugenommen. Trotzdem hat er, so sagt er zumindst, keine Pläne seinen Standardpreis von 1.70 Franken zu erhöhen.

Protkoll eines kulinarischen Ausflugs

11:24 Uhr
An einem ganz normalen Dienstag Vormittag reihe ich mich ein in eine Schlange mit mehr als hundert hungrigen Seelen vor mir. Ich möchte das weltweit billigste Gericht aus einer Michelin-Küche probieren. Man wartet hier locker zwei bis drei Stunden, bis man an sein Essen kommt – wohlgemerkt stehend in der Reihe. Wer seinen Platz verlässt, verliert ihn und steht wieder hinten an. Es ist also empfehlenwert, einen Foodie-Partner mitzubringen oder im Vorfeld so wenig wie möglich zu trinken.

Bei so viel Zeit hatte ich Gelegenheit mit einer älteren Dame hinter mir zu sprechen. Sie war in ihren Achtzigern, trug ausgetragene Kleider und zu grosse Schuhe. In ihrer faltigen Hand hielt sie eine Zwei-Doller-Note. Sie war fest entschlossen dieses Michelin-Mahl zu probieren. Das einzige, das sie sich jemals würde leisten können.

13.24 Uhr
Ich stehe bereits seit zwei Stunden in der Schlange. Anscheinend ist der Andrang heute so grosse, dass es locker noch mal zwei Stunden warden könnten. Die alte Dame hinter mir machte keine Anzeichen ihren Platz aufzugeben. Ich bot ihr an, ihren Platz frei zu halten damit sie sich in der Zwischenzeit setzen und ausruhen kann – und ich wollte für ihr Essen bezahlen, so beeindruckt war ich von ihr. Beides hat sie abgelehnt.

16.24 Uhr
Noch unglaublich langen fünf Stunden warten standen wir ganz ganz vorne – Auge in Auge mit Chef Chan. Ich konnte die Aromen riechen und sah das zarte Soya Sauce Chicken vor an einem Hacken hängen. Ich bot der alten Damen hinter mir noch mal meinen Platz an, damit sie nicht länger warten muss. Jetzt nahm sie das Angebot dankbar an. Sie nahm ihren Teller in Empfang und hastete zu einem in der nähe stehenden Tisch und konnte endlich ihr spätes Mittagessen zu sich nehmen.

16.28 Uhr
Jetzt war die Reihe an mir. Nachdem ich mir in der feuchten Hitze Singapurs einen halben Tag lang die Beine in den Bauch stand, konnte ich es kaum erwarten, dieses jetzt weltberühmte Gericht zu probieren. Das Huhn war saftig, zart und voller Geschmack. Die Nudeln, die ich dazu bestellte waren von der Konsistenz her perfekt. Allerdings konnte mich das ganze dann doch nicht vollends überzeugen – zu viel Öl. Wahrscheinlich war der Ansturm für den armen Herrn Meng einfach zu gross, um im Minutentakt beste Qualität abzuliefern.

Bis zu 17 Stunden Arbeit pro Tag – Michelin sei Dank

Und hier zeigt sich der manchmal zweifelhafte Ruhm einer solch publikumswirksamen Auszeichnung: Wegen des riesigen Andrangs musste Chef Chan in seiner Strassenküche länger und härter arbeiten als je zuvor – bis zu 17 Stunden sind es täglich.

Und trotzdem: Chef Chan Hon Meng steht für mich stellvertretend für das, was Essen sein sollte: ein Brückenschlag zwischen Alter, Religion oder Kultur. Denn Essen sollte nie darüber urteilen, ob man arm oder reich ist und woher man kommt. Essen sollte Menschen immer verbinden.

Die Dame hinter mir war nicht reich – und trotzdem konnten sie sich ein mal in ihrem Leben ein Michelin-Gericht leisten.

Mein Respekt gilt dem hart arbeitenden Chan Hon Meng. Mit seinem unablässigen Einsatz hat er nicht nur der alten Dame hinter mir viel Freude gemacht, sonder mir und all den anderen hundert hungrigen in der Schlange stehenden ebenfalls. Die Dame hinter mir war nicht reich – und trotzdem konnten sie sich ein mal in ihrem Leben ein Michelin-Gericht leisten.

Es war für mich sehr berührend von ganz nah erleben zu dürfen, was mir mein Vater schon vor so vielen Jahren über Essen beibringen wollte.

Die Geschichte von Chan Hon Meng

 

Adresse:
[googleMap name=»Hong Kong Soya Sauce Chicken and Rice» width=»10cm» height=»5cm» mousewheel=»false» directions_to=»false»]Chinatown Food Complex, Singapore[/googleMap] 335 Smith St, #02-125
Chinatown Food Complex
Singapore 050335

 

Die andere mit einem Michelin Stern ausgezeichnete Strassenküche:
Tai Hwa Pork Noodles
466 Crawford Ln, #01-12
Singapore 190465
[googleMap name=»Tai Hwa Pork Noodles» width=»10cm» height=»5cm» mousewheel=»false» directions_to=»false»]466 Crawford Ln, #01-12 Singapore [/googleMap]

2 Comments

  • Martina sagt:

    Wir fahren auch bald zum ersten Mal nach Singapur und hatten einen Besuch dort vor. Allerdings gaceine so lange Wartezeit mit unseren zwei Kindern ist undenkbar. Mal sehen ob wir dann nicht lieber wo anders essen werden. Über Tipps würde ich mich freuen. Viele Grüße Marzkna

  • Flo sagt:

    Ich bin vor kurzem aus Singapur nach Zürich gezogen. Zu Hong Kong Soya Sauce Chicken and Rice bin ich nie gegangen. Dafür konnte ich woanders ein (meiner Meinung nach) gleich gutes Chicken Rice bestellen ohne so lange anzustehen. Meiner Meinung nach ein Marketing Gag für Michelin, den sich auch für den Chicken Rice Stall sehr gelohnt hat.
    Zu Tai Hwa Pork Noodles bin öfters da ich um die Ecke gewohnt habe. Die damals 30mins anstehen waren es wert. Allerdings wird das jetzt auch anders sein.
    Martina, auf meinem Blog habe ich ein paar meiner Favorites abgelegt in Singapore. Generell bin ich ein grosser Fan des Tekka Centers und weniger vom Maxwell was in jedem Führer empfohlen wird. Für einen guten Mix aus Atmosphäre und gutem Essen, empfehle ich das East Coast Lagoon Food Village.
    Über Empfehlungen für SG Essen in Zürich würde ich mich freuen (probably a long shot…)

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