Starkoch tauscht Edelrestaurant gegen Pop-up
Für uns ist er der tätowierte Rockstar unter den Schweizer Spitzenköche. 2016 wurde er zum «Koch des Jahres» gewählt, er hat es auf 18 Gault-Millau-Punkte gebracht und er wurde vom wichtigsten Gastroführer mit zwei Michelin Sternen bedacht. Nenad Mlinarevic hat sich in der elitären Hochgastronomie einen Namen gemacht, wie nur wenige andere vor ihm. Trotzdem hat er seine lineare Karriere als Nobel-Küchenchef vorerst an den Nagel gehängt und demokratisiert ab heute mit seinen Freunden von Vale Fritz die Hochgastronomie – in dem temporären Restaurantprojekt Stadthalle beim Stauffacher.
Wer in der Stadthalle pickfeine kulinarische Kreationen wie in einem Edellokal auf seinem Teller erwartet, der wird enttäuscht. Denn dafür hätte Nenad wohl kaum seinen Topjob im Restaurant Focus des noblen Park Hotels Vitznau aufgegeben. Nein, ganz im Gegenteil: Der tätowierte Rockstar unter den Schweizer Spitzenköche will sein Talent demokratisieren und einem breiteren Publikum zugänglich machen. Das geht zusammen mit Vale Fritz in einem Restaurant auf Zeit besser als in einem Gourmetlokal, und ist mit Schweinebauch und Tatar interessanter, als mit Kaviar und Trüffel.
Aber eigentlich geht es ihm um viel mehr: Nach vielen Jahren in einer geschlossenen Restaurantküche will der Sternekoch viel näher bei seinen Gästen sein. Und dafür ist die Stadthalle die perfekte Wahl. Die offene Küche ist in den Raum integriert und Gast und Koch sind sich zum Greifen nahe. Wer hier isst, kommt in den Genuss eines einzigartigen gastronomischen Erlebnisses, das sich beinahe wie eine private Dinner-Einladung anfühlt.
Egal wo man in der Stadthalle sitzt, die Küche ist immer in Sichtweite. Einzig die dicken und dunklen Vorhänge deuten verschiedene Räume an und sind gleichzeitig für eine mysteriöse Stimmung verantwortlich.
Zapfsäule und Parkwächterhäuschen erinnern an die Autogarage
Dass hier vor wenigen Wochen noch Autos standen und repariert wurden, davon zeugen nur noch ganz wenige Spuren. Die Stadthalle-Macher haben es dennoch verstanden, den ursprünglichen Charakter in das Restaurant auf Zeit zu integrieren. So finden sich noch vereinzelt Hinweisschilder, Reifenspuren (die hingegen mit einem kleinen Kunstgriff nachträglich an die Wände gemalt wurden), eine Zapfsäule und nicht zuletzt ein Art Parkwächterhäuschen. Dort bezahlt man anstelle des Parkbillets die Rechnung des Abends.
Auch wenn die Speisen direkt aus der Hand vom hochdekorierten Spitzenkoch kommen: Was hier serviert wird, ist ehrlich und bodenständig. Und genau hierin liegt der ganz besondere Reiz an dem zeitlich begrenzten Stadthalle-Projekt. Denn wer möchte nicht zu gerne wissen, welch wunderbar überraschende Speisen einer der erfolgreichsten Schweizer Küchenchefs aus Allerweltszutaten auf den Tisch zaubert.
Das Essen ist nicht nur bodenständig (was geschmackliche Überraschungseffekte in keiner Weise ausschliesst!), sondern wird auch auf ganz demokratische Art und Weise serviert: Alles kommt in die Tischmitte, für jeden zum Teilen.
Erst einen Drink an der Bar, dann vier Vorspeisen, drei Hauptgänge und ein wahrhaft spektakuläres Dessert. Dazu Bio-Weine von kleinen Winzern. So gestaltet sich der Abend unter Nenads Ägide in der Stadthalle. Die Speisen bleiben in der Philosophie über die ganze Dauer der Stadthalle die gleichen. Sie können aber durchaus ihre Form und Art ändern. Am besten lässt man sich überraschen.
Da gibt es zur Vorspeise unter anderem Lachs mit Rettich, Ponzu, Algen und Radieschen. Oder Schweinebauch mit Kopfsalat, Pickels, Koriander und Chili. Zum Hauptgang beispielsweise eine Poularde mit Sushireis, Broccoli, Sesam, einem Kräutersalat und Miso oder ein Rind mit Muffins, Pilzen, Peperoni und Tomate.
Das Dessert ist eine Bombe. Im wahrsten Sinne des Wortes übrigens. Eine grosse, geschlossene Schockoladenkugel wird an den Tisch getragen. Gefüllt ist sie mit Glacé, Meringue-Häubchen und allerlei anderen süssen Versuchungen. In einem spektakulären Akt wird die Bombe auf den Tisch geknallt und explodiert sogleich. Jetzt heisst es: Bitte bedienen!
Preis Stadthalle
Das Acht-Gang-Menü kostet 95 Franken pro Person. Getränke kommen noch dazu.
Weissweine starten bei 57 Franken für eine Flasche Pfälzer Riesling, Rotweine bekommt man ab 61 Franken (z.B. französischen Gamay).
Laufzeit / Öffnungszeit
1. Dezember – 23. Dezember 2017
4. Januar – 3. Februar 2018
Montag bis Samstag, jeweils von 17:30 – 24:00 Uhr
Achtung: Reservation nur möglich für mindestens zwei Personen. Pro Abend gibt es zwei Seatings.
Harrys Tipp
Die Stadthalle ist nicht nur eines der coolsten Pop-Ups der letzten Jahre, sondern auch eines der qualitativ überzeugendsten. Das ist dem Zusammenspiel von Vale Fritz und Nenad Mlinarevic geschuldet.
Der eine hat ganz offensichtlich das richtig Händchen für die perfekte Inszenierung, der andere sorgt mit einer tiefen Passion und dem Talent eines Michelin-Küchenchefs für ein echtes kulinarisches Erlebnis auf bodenständigem Niveau. Noch nie zuvor hatten wir beispielsweise solch wunderbar zubereiteten Rosenkohl. Und nie hätten wir gedacht, dass man aus einfachem Topinambur ein dermassen spektakulär schmeckendes Gericht zaubern kann.
So hebt sich die Stadthalle von den vielen anderen Pop-Ups ab, bei denen man als Gast kulinarisch oft in die Röhre guckt.
Übrigens: Ganz ohne Hochgastronomie-Spielerei kommt Nenad in der Stadthalle dann doch nicht aus. Die Dessert-Tischbombe ist ein staunenswertes Kunstwerk, das man nur in ganz wenige Spitzenrestaurants auf der Karte findet. Ist die Chocolate Bomb erst mal explodiert, warten nicht nur süsse Dessertstücke auf den Gast. Kurz nach dem Aufschlag auf dem Tisch ähnelt die ganze Szenerie einem wirren Gemälde von Jackson Pollock.
Adresse Stadthalle
Die Stadthalle
Morgartenstrasse 5
8004 Zürich
diestadthalle.ch
(Fotos: Carrie Meier-Ho)
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Habe jetzt schon Hunger